Ist es nicht ein erhebendes Gefühl in einer klaren Nacht das Sternbild des Großen Wagens am Himmel zu suchen oder sogar unsere Galaxie zu finden? Es ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr, Himmelskörper zu entdecken. Zu hell ist unsere Umgebung mittlerweile erleuchtet – Lichtverschmutzung wird dieses Phänomen genannt, welches Europa jährlich um sechs Prozent heller strahlen lässt.
Natürliche Nachtlandschaften werden durch künstliches und oft nicht genutztes bzw. nicht benötigtes Licht aufgehellt. Die natürliche Dunkelheit wird durch das Licht „verschmutzt“. Dadurch sind z. B. weniger Sterne sichtbar. Lichtverschmutzung tritt vor allem in dicht besiedelten und industrialisierten Regionen auf. Die Lichtemissionen werden in den Nachthimmel gestreut und an kleinsten Teilchen (Wolken, Nebel, Staub usw.) gebrochen bzw. reflektiert. Dadurch bilden sich so genannte Lichtglocken über den Städten, die noch mehrere Kilometer vor den Ballungsräumen sichtbar sind. Die kontinuierliche Aufhellung der natürlichen Dunkelheit wirkt sich negativ auf alle Lebewesen (Pflanzen, Tiere, Menschen) aus und wird deshalb als Umweltbelastung bezeichnet.
Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten elektrischen Straßenbeleuchtungen in Betrieb genommen. Der Münchner Centralbahnhof gilt als erster elektrisch beleuchteter Bahnhof in Deutschland – das war 1879. Seit dem ist der Preis für elektrischen Strom stetig gesunken und die Dunkelheit ist keine limitierende Größe mehr. Leuchtreklametafeln, Flutlichtanlagen, Straßen- und Industrieanlagenbeleuchtungen, Autoscheinwerfer und sogar Balkons - dem Licht „entkommt“ kein Fußballplatz, kein (Rad)Weg und auch keine Terrasse mehr.
Lumen (Lm): Einheit für den Lichtstrom, den ein Leuchtmittel aussendet. Er gibt an, wie viel Licht nach allen Seiten abgestrahlt wird und lässt Rückschlüsse auf die Helligkeit zu. Je höher der Lumenwert, desto mehr Licht wird pro Zeiteinheit abgegeben. (Lm = Lumen)
Lux (lx): Einheit für die Beleuchtungsstärke einer Lichtquelle. Sie gibt an, wie viel Lichtstrom einer Lichtquelle auf einer Fläche auftrifft. Die Beleuchtungsstärke gibt NICHT den Helligkeitseindruck wieder, da dieser von der Beschaffenheit der beleuchteten Fläche abhängt.
Kelvin: Einheit für die Farbtemperatur des Lichtes. Je geringer der Kelvinwert desto geringer ist der „Blauanteil“ im Licht. Dieser aktiviert Lebewesen und verhindert die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin bei Organismen. Außerdem wirken neutral- und kaltweiße
Lichtfarben anziehend auf Insekten.
Die Rotation der Erde, Sonnenauf- und -untergang, also der Wechsel von Tag (hell) und Nacht (dunkel) gibt den Lebewesen auf der Erde ihren Rhythmus vor. Mit der zunehmenden Helligkeit in der Nacht verschwimmen die Grenzen zwischen Tag und Nacht mit unangenehmen oder sogar schädlichen Auswirkungen auf Lebewesen...
…auf uns Menschen? Das Schlafhormon Melatonin bildet der Körper, wenn es draußen dunkel wird und die Menschen weniger Licht konsumieren. Im Schlaf speichert unser Gehirn Informationen, Regenerations- und Wachstumsprozesse laufen ab, das Immunsystem
wird gestärkt und der Stoffwechsel baut schädliche Produkte im Körper ab. Ausreichend Schlaf ist für ein gesundes Leben unerlässlich. Durch die heller werdenden Nächte und die bläulich-weiß leuchtenden Displays von Computern und Smartphones kann es zur Störung des Melatoninhaushaltes und folglich zu Schlafstörungen kommen. Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und eine Schwächung des Immunsystems können daraus resultieren.
Tipp: Ein bis zwei Stunden vor dem Schlafengehen sollten Lichtquellen über 2.700 Kelvin gemieden werden, um gut und schnell in einen gesunden Schlaf zu finden.
…auf Tiere? Vor allem auf Insekten und Vögel wirken sich die hell erleuchteten Lichtquellen oft tödlich aus. Schätzungsweise 100 Mrd. Insekten werden in Deutschland in einer Sommersaison von Straßenlaternen und Autoscheinwerfern, Leuchtreklameschildern und Solarleuchten angezogen. Je höher der Blauanteil im Licht, desto stärker ist die Anziehungskraft. Nachtaktive Insekten umschwirren die Lichtquelle bis zum Erschöpfungstod oder werden leichte Beute für Fressfeinde. Dabei haben Insekten eine sehr große Bedeutung
für das biologische Gleichgewicht auf der Erde. Sie sind Verwerter abgestorbener Substanz, sie dienen einer großen Anzahl von Tieren als Nahrung und sie sind unersetzlich bei der Bestäubung von Wild und Nutzpflanzen. Die Bedeutung der Insekten für die Artenvielfalt ist immens und die Lichtverschmutzung ist damit eine zusätzliche Gefahrenquelle für die Biodiversität. Die hell erleuchteten Ballungsgebiete beeinflussen das Zugverhalten von Vögeln wie Gänsen, Kranichen, Enten und Singvögeln. Vor allem bei Bewölkung, Nebel oder Regen wird das Licht stark reflektiert und erhellt den Nachthimmel zusätzlich. Desorientierung lässt die Vögel kreisen und führt zu Erschöpfung, Kollisionen mit Gebäuden oder macht sie zu leichter Beute für Fressfeinde. Auch auf die natürliche Gewässerreinhaltung durch Zooplankton und das Wanderungsverhalten von Fischen hat die Beleuchtung von Brücken, Flüssen und Seen Auswirkungen.
Tipp: In den Nachthimmel abstrahlendes Licht sollte vermieden werden. Die praktische Umsetzung der Beleuchtung sollte die Zugrouten von Vögeln berücksichtigen.
…auf Pflanzen? Pflanzen reagieren auch auf den Wechsel zwischen Licht und Dunkelheit. Kürzere Tage und längere Dunkelphasen im Herbst lösen unter anderem den Laubabwurf von Bäumen aus. Werden diese ständig mit künstlichem Licht bestrahlt, bringt das ihren Lebens-Rhythmus durcheinander. Die Bäume behalten auch im Spätherbst ihr Laub und speichern zu viel Wasser in Ästen und Zweigen. Bei Frost kann das zu erheblichen Schäden führen.
Tipp: Bäume und Pflanzen nachts NICHT dauerhaft mit künstlichem Licht anstrahlen!
…auf Energieverbrauch, -kosten und CO2-Emissionen? Laut „Paten der Nacht“ scheint ca. ein Drittel des Lichtes der Straßenbeleuchtungen in die „falsche“ Richtung, d. h. zur Seite oder sogar nach oben und ist damit vollkommen nutzlos. Viele Millionen Tonnen CO2 und viele Milliarden Kilowattstunden Strom könnten durch eine zielgerichtete und maßvolle nächtliche Beleuchtung eingespart werden. Für ganz Europa wird das Einsparpotential auf über 20 Mrd. Euro pro Jahr beziffert (Paten der Nacht).
Tipp: In Gärten und auf Balkonen sollten wir auf dekorative Beleuchtungen verzichten. Haben sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt, fällt es uns auch nachts nicht schwer, den Weg zu finden.
…auf die Beobachtung des Sternenhimmels? Unter Umständen natürlicher Dunkelheit lassen sich ca. 6.000 Sterne am Himmel beobachten. Pilger und Seefahrer orientierten sich früher an den Sternen. Die Beobachtung des Himmels hat sich in Kunst, Kultur, Religion und Wissenschaft niedergeschlagen und kann deshalb als Kulturgut bezeichnet werden. Der Blick in einen von Sternen erhellten Himmel zeigt den Menschen, dass die Erde ein Wunder ist und zudem nicht mal ein Stecknadelkopf in der Unendlichkeit des Universums. In Großstädten oder an den Rändern der Ballungsgebiete lassen sich mittlerweile nur noch wenige Dutzend oder Hunderte Sterne beobachten. Damit geht ein jahrtausendealtes Kulturgut verloren.
Tipp: Besuchen Sie einen Sternenpark, z. B. den Sternenpark Rhön oder den Sternpark Westhavelland. Dort können Sie die natürliche Dunkelheit noch erleben, den Sternenhimmel oder nachtaktive Tiere beobachten. Die Auszeichnung “Sternenpark" soll diese Gebiete nachhaltig vor zu viel künstlichem Licht schützen.
Durch relativ einfache Maßnahmen können alle mithelfen, den Grad der Lichtverschmutzung zu reduzieren. Am Anfang steht das Bewusstsein für die große Bedeutung der Dunkelheit. Mit folgenden Maßnahmen kann der Lichtverschmutzung entgegengewirkt werden:
1.) Prüfen, ob eine dauerhafte Beleuchtung notwendig ist (Wegesicherung, Orientierung)
2.) Beleuchtung mit geringen Lumen-Werten (keine Blendung)
3.) Abstrahlrichtung sollte grundsätzlich nach unten zeigen (Lichtquelle sollte vom Gehäuse abgedeckt sein)
4.) Kein Licht mit hohen Blauanteilen (max. Lichtfarbe 2.700 Kelvin)
5.) Je niedriger die Beleuchtungsmasten, desto besser (Vermeidung von Streulicht)
6.) Bedarfsgerechte Beleuchtung (Bewegungsmelder nutzen; Werbebeleuchtung spätestens 22.00 Uhr abschalten)
Dunkelheits-Schutzgebiete oder auch Sternenparks
Nationalparke, Biosphärenreservate und Naturparke, die sich für den Schutz der Dunkelheit einsetzen und trotz Industrialisierung lichtverschmutzungsfreie Regionen vorweisen, können sich als Sternenpark zertifizieren lassen. Dafür ist die amerikanische Nicht-Regierungsorganisation IDA (International Dark-Sky Association) zuständig, die international einheitliche Standards erarbeitet hat und die Einhaltung dieser überprüft. Beispiele für Sternenparke in Deutschland sind unter anderem die Sternparke Rhön und Eifel sowie Westhavelland und Insel Pellworm. In der Nordsee trägt Spiekeroog den Titel Sterneninsel. In diesen Gebieten setzen sich die Verantwortlichen für den Einsatz umweltverträglicher Beleuchtungssysteme ein und stehen durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit mit Kommunen und Privatpersonen in engem Austausch. Bedeutsam sind diese Regionen auch als Rückzugsraum für tag- und nachtaktive Tiere sowie für die Sternenbeobachtung und die weitere wissenschaftliche Begleitung beider Wissenschaftsbereiche (Astronomie und Biologie).
Vorbildhaftes Beispiel: Das Bayerische Naturschutzgesetz (BayNatSchG) regelt den Schutz der Dunkelheit
Vor allem die Insektenfauna soll durch die Einschränkung von künstlicher Beleuchtung bzw. eine intensive Prüfung im Außenbereich geschützt werden. Geschützte Landschaftsbestandteile stehen unter besonderem Schutz. Künstliche Beleuchtungen sind dort nur mit einer behördlichen Genehmigung gestattet.
Zusammenfassung
Licht - wir Menschen können unsere Schlafzimmer verdunkeln und uns vor zu viel Licht schützen. Tiere und Pflanzen sind ihm schutzlos ausgesetzt. Wie bei vielen anderen Themen stellt sich auch hier die Frage, ob natürliche Gegebenheiten anerkennen und respektieren wollen.
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